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Richtlinien der Bischofskonferenz der VELKD
über Beichte und Abendmahl

Vom 16. April 1958

(ABl. VELKD Bd. I 1958 S. 122)

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Die Bischofskonferenz der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands hat in ihrer Sitzung am 16. April 1958 gemäß Artikel 9 Absatz 4 Satz 2 der Verfassung der Vereinigten Kirche vom 8. Juli 1948 die nachstehenden »Richtlinien über Beichte und Abendmahl« zur Anwendung in den Gliedkirchen beschlossen:
Die in Band I der »Agende für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden« enthaltene Ordnung des »Hauptgottesdienstes mit Predigt und Heiligem Abendmahl« soll die vielfach verloren gegangene Verbindung von Predigt und Abendmahl wieder zurückgewinnen. Damit bricht die Frage nach dem Verhältnis von Beichte und Abendmahl wieder neu auf.
Es wird vielfach befürchtet, die neue Agende löse die traditionelle Verbindung von Beichte und Abendmahl, wie sie in dem besonderen Abendmahlsgottesdienst mit Vorbereitung vorliegt, zu Unrecht auf; die neue Hauptgottesdienstordnung lasse für eine Beichte keinen Raum mehr; dadurch gehe nicht nur die Beichte verloren, auch das Abendmahl nehme Schaden, da die Bereitung auf den würdigen Empfang fehle.
Auf der anderen Seite muss mit Sorge beobachtet werden, dass um der Verbindung von Beichte und Abendmahl willen in manchen Gemeinden mit der Beichte experimentiert wird. Sie wird in einer verkürzten Form, meist ohne Beichtfragen, ohne Bekundung des Beichtwillens und der Reue sowie ohne eigentliche Absolution in den Hauptgottesdienst hineingenommen. Auf diese Weise wird die Beichte durch eine Offene Schuld ersetzt, der als der einzigen Vorbereitung auf das Abendmahl alle Gottesdienstbesucher unterschiedslos unterworfen werden. Diese Entwicklung leistet einer weiteren Verkümmerung des Beichtwesens Vorschub.
Um allen berechtigten Anliegen zum Verhältnis von Beichte und Abendmahl Rechnung zu tragen, werden den Gliedkirchen folgende Richtlinien übergeben:
  1. Die Beichte soll als selbstständige Handlung wiedergewonnen und in ihrem Verständnis sowohl von der bloßen Abendmahlsvorbereitung wie von der allgemeinen Predigt des Evangeliums unterschieden werden. Deshalb wird empfohlen, die Beichte als Einzelbeichte oder als Gemeinsame Beichte in einer besonderen gottesdienstlichen Handlung auch unabhängig von einer nachfolgenden Abendmahlsfeier anzubieten.
  2. Wer durch Abfall vom christlichen Glauben oder durch lasterhaften Wandel Ärgernis gegeben hat und von der Abendmahlsgemeinde ausgeschlossen ist, darf nicht zum Heiligen Abendmahl gehen, ohne zuvor in Reue und Buße eine Beichte abgelegt und die Absolution empfangen zu haben.
  3. Der rechte Empfang des Heiligen Abendmahls setzt voraus, dass der Christ zuvor sich selbst prüft, sein Gewissen erforscht und sich vor Gott als Sünder bekennt, der der Vergebung bedarf. Solcher Zurüstung leistet die Beichte einen wesentlichen Dienst. Deshalb soll vor jeder Feier des Heiligen Abendmahls Beichte gehalten und dazu eingeladen werden.
  4. Da jedoch die Teilnahme an einer Beichthandlung nicht unbedingt als Voraussetzung für jeden Abendmahlsgang gefordert werden kann, muss als Möglichkeit offen gelassen werden, dass Gottesdienstbesucher am Heiligen Abendmahl teilnehmen, auch ohne vorher eigens gebeichtet zu haben. Dies gilt z. B. für solche Gemeindeglieder, die nicht vor jedem Abendmahlsgang die Beichte wiederholen wollen, weil sie häufiger, als es in früheren Zeiten üblich war, zum Heiligen Abendmahl gehen oder weil sie die Einzelbeichte üben.
  5. Wo Abendmahlsfeiern außerhalb des Hauptgottesdienstes gehalten werden, wird man weiterhin die Gemeinsame Beichte mit der Abendmahlsfeier verbinden.
  6. In den Hauptgottesdienst kann die Gemeinsame Beichte nicht eingeordnet werden, da sie einen geschlossenen Kreis der Beichtwilligen voraussetzt. Darum soll die anzubietende Gemeinsame Beichte dem Hauptgottesdienst vorangehen, entweder unmittelbar oder am Vorabend. Auch zur Einzelbeichte soll vor Abendmahlsfeiern Gelegenheit gegeben werden.
    Wo allsonntäglich auf die Predigt die »Allgemeine Beichte mit der Absolution« in der Form der Offenen Schuld folgt, wie in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, und wo sich dieser von den Vätern überkommene Brauch in den Gemeinden als Träger geistlichen Lebens erwiesen hat, steht die liturgische Zuordnung von Beichte und Abendmahl unter besonderen Bedingungen.
  7. Wo im gegebenen Fall damit zu rechnen ist, dass ein größerer Teil der Kommunikanten nicht an der vorhergehenden Beichte teilgenommen hat, oder wo im Ausnahmefall keine Beichte vor dem Heiligen Abendmahl stattfinden konnte, kann im Blick auf die Bereitung der Abendmahlsgäste im Gottesdienst eine Abendmahlsvermahnung gehalten werden, die aber keinen Ersatz für die Beichte darstellt.
  8. Alles, was in Sachen der Beichte in der Kirche geschieht, darf die bisherige Beichtpraxis nicht mindern oder auflösen, sondern soll zu einer Stärkung des Beichtwillens, zu einer Vermehrung des Beichtangebotes, und zu einer neuen lebendigen Übung der Schlüsselgewalt in den Gemeinden führen.